Erstes Innovation Forum Zerspanung in Tuttlingen mit 200 Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft
Zerspanung entwickelt sich mehr denn je zu einer absoluten High-Tech-Anwendung, die weit über die Metallbearbeitung hinaus an Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig beschäftigen neue Entwicklungen wie Industrie 4.0, hybride Bearbeitungsverfahren oder 3-D-Druck die Unternehmen der Branche. Mehr als 200 Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten jetzt in der Stadthalle in Tuttlingen während des ersten Innovationsforums Zerspanungstechnologie die neuesten Entwicklungen, um Trends zu erkennen und zeitnah zu nutzen.
Zerspanungs-Unternehmen stehen vor großen technischen Herausforderungen, stellte Dieter Teufel, Präsident der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, in seiner Begrüßung fest. Angesichts zunehmender Komplexität der Produkte und Lösungen „müssen wir Unternehmer uns öffnen und bereit sein, neue Kooperationen einzugehen“. Kooperation und Vernetzung seien auch bei den weiteren Innovationsforen zu den Themen Medizintechnik, Smarte Systeme sowie Kunststofftechnologie zentrale Ansatzpunkte.
Das Zerspanungsforum selber steht für den Gedanken der Vernetzung, denn mit der IHK, der Technologieoffensive TechnologyMountains, der Clusterorganisation MedicalMountains, dem Kompetenzzentrum für Schleiftechnologie und Feinstbearbeitung KSF der Hochschule Furtwangen sowie der Gemeinnützigen Vereinigung der Drehteilehersteller GVD „haben ausgezeichnete Experten bei der Ausgestaltung mitgewirkt“, so Teufel. Hinzu kam ein Fachverlag, der mit der „Operation Zerspanung“ eine Vortragsreihe zum Thema Herstellung von Implantaten anbot.
Thomas Wolf, Geschäftsführer von TechnologyMountains, hatte zum Auftakt des Forums während des Messerundgangs festgestellt, dass der Innovationsdruck angesichts neuer, immer festerer Werkstoffe und steigender Präzisions- und Qualitätsanforderungen zunehmen werde: „Dem können Unternehmen der Region durch Vernetzung und Teilnahme an den Verbundprojekten von TechnologyMountains, MedicalMountains, MicroMountains Applications und dem Kunststoff-Institut Südwest begegnen.“
So verspricht hier ein branchenübergreifender Ansatz die besten Ergebnisse bei Herausforderungen im Planungs- und Produktionsprozess. Spätestens dann kann der Netzwerkgedanke weiter verfolgt werden, wenngleich diese Aufgabe stetiges Engagement verlangt. „Gemeinsam kommen Unternehmen schneller ans Ziel“, warb Wolf für die entsprechende Einstellung, mehr denn je gemeinsam in der Region zu kooperieren, um die herausragende Stellung in der Medizintechnik und Zerspanung zu halten und nach Möglichkeit auszubauen.
Am Ende dieser Veranstaltung gilt „nach dem Innovation Forum ist vor dem Innovationsforum“ wie es IHK-Präsident Dieter Teufel im Hinblick auf das nächste Medizintechnikforum am 29. Oktober in Tuttlingen bereits bei seiner Begrüßung formulierte.
Die Fachvorträge im Überblick:
Prof. Dr.-Ing. Bahman Azarhoushang, der das KSF der Hochschule Furtwangen leitet, nannte die Intensivierung der Kontakte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft als wichtiges Ziel der Veranstaltung, „denn wir müssen Herausforderungen früh erkennen und neue Entwicklungen nicht nur begleiten, sondern prägen“. Als eine wichtige Entwicklung benannte er das Präzisionszerspanen, dessen Relevanz für zukünftigen Erfolg nicht überschätzt werden könne.
Prof. Dr. Konrad Wegener, Leiter des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fertigung IFW an der ETH in Zürich, gab einen Überblick zum Stand der Technik und sich abzeichnende Trends. Demnach würden Laser bei der Herstellung der Werkzeuge, namentlich der Schneidkante, dank zahlreicher Vorteile zunehmend unverzichtbar. „An der Schneidkante wird das Geld verdient“, nutzte er ein geflügeltes Wort der Branche, um die Vorteile in Bezug auf Präzision, Standfestigkeit und Umsetzbarkeit günstiger Radien auch bei ultraharten Werkstoffen zu referieren. Wegener ließ die Besucher wissen, dass er davon ausgeht, dass Simulationsprogramme in der Zerspanungstechnologie hohes Potenzial besitzen, und auch bei der Konstruktion der Maschinen seien weiterhin spürbare Fortschritte zu erwarten.
Diese Einschätzung unterstrich Dr. Claus Eppler, Leiter Forschung und Entwicklung der Chiron-Werke in Tuttlingen, obschon in den vergangenen Jahren Bearbeitungszeiten erheblich verkürzt werden konnten. Er nannte als Bespiel das Rad der Turboladers eines Fahrzeugs, das aus dem Vollen gefräst wird. Wurden dafür 2007 noch 220 Sekunden benötigt, wird die Bearbeitungszeit in der kommenden Maschinen-Generation bei nur noch 55 Sekunden liegen. Verbesserungen bei Präzision und Effizienz nannte Eppler als vorrangige Ziele für die kommenden Entwicklungsstufen.
Den direkten Bogen zur Medizintechnik schlug Dr. Ronny Grunert vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Dresden. Um anspruchsvolle Implantate etwa in der Krebs-Endoprothetik herstellen zu können, würden zukünftig Zerspanungstechnologien mit weiteren Verfahren kombiniert werden, etwa dem Laserstrahlschmelzen oder 3-D-Druckverfahren: „Hybride Prozesse sind angesichts der Aufgabenstellungen unumgänglich“, stellte der Wissenschaftler fest. Darauf müssten sich die Unternehmen einstellen.
In den Fachvorträgen wandten sich die Teilnehmer speziellen Fragestellungen zu. Optimierte Schleiftechnologien, Mehrspindel-Strategien, Fräsbearbeitung schwer zerspanbarer Werkstoffe, Chancen und Grenzen von Kurz- und Ultrakurzpulslasern, Industrie 4.0 und viele weitere Themen standen auf der Tagesordnung.