Zukunftsprojekt Industrie 4.0: Auf Digitalisierung vorbereiten
Entscheider der Region informieren sich während Premium-Event von KAILER & SOMMER, IHK und TechnologyMountains über „The Future of Making Things“
Eingeladen zu dieser Veranstaltung für die regionalen Entscheider hatte die KAILER & SOMMER GmbH (Villingen-Schwenningen) zusammen mit der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg und der Clusterorganisation TechnologyMountains, innerhalb der mehr als 170 High-Tech-Unternehmen der Region vernetzt sind. Geschäftsführer Ralf Kailer betonte während seiner Einführung, dass die Strategie hinter Industrie 4.0 nur zum Ziel führt, wenn man Mitarbeiter, Geschäftspartner und Kunden gleichsam mitnehme. Deshalb ging es während der Veranstaltung über die technologische Umsetzung hinaus auch um Fragen, wie Kommunikation, soziale Einbindung und Ausbildung innerhalb eines Unternehmens unter 4.0-Gesichtspunkten weiterentwickelt werden müssen.
Markus Speiser und Detlev Reicheneder (Autodesk GmbH) widmeten sich der Frage, wie in Zukunft produziert werden wird. Ihre These: Über Produktivitätssteigerungen, Innovationen und optimierte Prozesse allein werde sich ein Unternehmen nicht mehr vom Wettbewerb absetzen können. Vielmehr gelte es, von der Nachfrage her zu denken: „Junge Konsumenten, die ein Telefon mit Tasten nicht mehr kennen, wollen smarte, vernetzte Produkte, die während deren Lebenszyklus online upgedatet werden“ machte Reicheneder deutlich.
Im B2B-Bereich wirkt eine Entwicklung hin zu immer kleineren Losgrößen, womit sich ein Trend zu kleinen Produktionseinheiten ergeben wird. Letztlich „müssen sich große Unternehmen am Markt so verhalten wie kleine“ schätzt Speiser. Die Variantenvielfalt wird dazu führen, dass Produkte vermehrt in flexiblen Prozessen kundenspezifisch konfiguriert werden. Vernetzte Entwicklung, neue Materialien und neue Fertigungsverfahren harren der Unternehmen.
Dass man andernorts auf dem Globus das Thema deutlich temporeicher angeht machte Technologie-Analyst Ulrich Sendler deutlich. Namentlich in China und den USA würden mehr Mittel und mehr Energie auf die Transformation der Wirtschaft zur Industrie 4.0 verwandt als hierzulande. Die historische Betrachtung würde zeigen, dass die Phasen der industriellen Revolution sich beschleunigen: „Nimmt man 1975 als Start der 3. Industriellen Revolution neigt sie sich bereits nach 40 Jahren dem Ende entgegen“, so Sendler.
Hardware, Software, Internet, Cloud – „und was kommt als nächstes?“ Viele Unternehmen der 3. Revolution gebe es bereits nicht mehr. Und wer sein Unternehmen nach Mechanik und Mechatronik in die kommende Phase der Cybertronik führen will „benötigt neue Geschäftsmodelle.“ Für Sendler steht fest: „Innovationen kommen künftig von vorne: Vom Kunden, vom Anwender. Hier ist die enge Vernetzung notwendig.“ Ein neues Geschäftsmodell ist zum Beispiel digitales 3D-Scannen. Dadurch „wird gebaute Realität in der digitalen Welt verfügbar“, erläuterte Dr. Denis Wohlfeld (FARO Europe). Damit erfährt die Dokumentation komplizierter Anlagen einen Schub. Und es besteht in Zukunft die Möglichkeit, ausgehend von diesem Stand durch Simulationen für Verbesserungen zu sorgen.
Bei alledem darf der Mensch nicht vergessen werden, mahnte Prof. Dr. Jutta Rump, Institut für Beschäftigung und Employability Ludwigshafen, an: „Technische Innovationen und Prozessinnovationen bedürfen immer sozialer Innovationen.“ Bestehende Arbeitsvorgänge müssten zerlegt und neu assembliert werden – am Ende könnten auch ganz neue tarifliche Modelle stehen: „Entwicklung der bisher kollektiv geprägten Regelungen hin zu modular ausgerichteten Regelungen mit Mindeststandards“ seien zu erwarten. Änderungen in der Karriereplanung deuten sich an, und damit auch neue Herausforderungen für die Personalentwicklung der Unternehmen. Statt seitherigen Lebensläufen werde es vermehrt zu horizontalen Projekt- oder Mosaikkarrieren kommen. Überdacht werden müsse verstärkt das Ausbildungswesen, denn viele Berufsbilder würden sich durch die Digitalisierung stark ändern, einige verschwinden, neue aufkommen.
Wie es mit der ganz konkreten Kommunikation innerhalb eines Unternehmens in Zukunft aussehen wird, darüber referierte Claudia Serr. „Es ist häufig zu beobachten, dass einzelne Abteilungen, Mitarbeiter, Führungskräfte nur bis zu ihrem Ergebnis denken und sich kaum empathisch in die Situation anderer Mitarbeiter oder anderer Abteilungen hineinversetzen“ analysierte die Beraterin. Solche Defizite müssten grundsätzlich, insbesondere aber vor dem Hintergrund zunehmender Vernetzung, überwunden werden. Deshalb sei es in Zukunft noch mehr als heute unumgänglich, Kommunikation als Prozess zu verstehen, der klar verankert und geregelt sei. Um die Schnittstellenproblematik zu überwinden müssten die Rahmenbedingungen für Kommunikation verbessert werden. In diesem Bereich gebe es für Unternehmen sehr viele Stellschrauben.
In angeregten Gesprächen vertieften die Entscheider der Region die Informationen und Anregungen und machten die Veranstaltung so auch zu einem regionalen Netzwerk-Gipfel. Der wird im kommenden Jahr fortgeführt, kündigte Kailer an.